Zugang zu Informationen - neue Dienstleistungen für den Endnutzer

Dienstleistungen des traditionellen Buchhandels


  1. Einleitung
  2. Datenkonvertierung
  3. Kataloge/Bestellsysteme
  4. Datenlieferungen für unternehmensinterne Netze
  5. Anbieten von eigenen Inhalten
  6. Archivplatz für Autoren und Verlage
  7. Neue Partnerschaften
  8. Abrechnungsverfahren und Inkasso
  9. Ausblick

I. Einleitung

Der Zugang zum Internet ist mittlerweile, zumindest in der wissenschaftlichen Welt, zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Beim Anbieten von Inhalten ergriff der traditionelle Buchhandel im Vergleich zu anderen Branchen sehr früh die Initiative und stellte beispielsweise Katalogdaten online zur Verfügung.

Zugute kam hier, daß der komplette Publikationsprozeß schon seit Mitte der 80er Jahre aus Gründen der Wirtschaftlichkeit datenbankgestützt abgewickelt wurde: Aus der Datenbank wurden direkt Belichtungsdateien generiert und dadurch aufwendiger und fehlerträchtiger Neusatz vermieden. Dadurch war es kein Problem, durch einfache Schnittstellendefinition auch eine Onlineversion der gedruckten Kataloge zu produzieren und den Prototyp eines Online-Bookshops in Angriff zu nehmen .

Neben den traditionellen Sortimenten etablierten sich inzwischen auch eine ganze Anzahl von "Online"-Buchhandlungen.Bemerkenswert ist, daß es den klassischen Versandbuchhandlungen in dieser Anfangsphase weit weniger gut gelang, im Onlinesektor Fuß zu fassen als den klassischen Sortimenten.

Erfahrung im Direktvertrieb, die vorhandene Infrastruktur und die bestehenden Kundenkontakte versetzen den Buchhandel in die Lage, bei der Beschreitung neuer Distributionswege für elektronische Informationen Akzente zu setzen.

II. Datenkonvertierung

Die Konvertierung von Daten aus externen Datenbanken in einheitliche Datenstrukturen ist für den Buchhandel seit vielen Jahren alltägliche Praxis. Aus unterschiedlichsten Quellen mit uneinheitlichen Schnittstellen wird eine einheitliche Datenstruktur erzeugt, da außer VLB, Books in Print, Bookbank, DNB, Bookfind, BNF, BNB, RNB auch jeder Verlag, der in der Lage ist, Daten strukturiert zur Verfügung zu stellen, ein eigenes Format benutzt. Und leider konnten sich auch die bibliothekarischen Austauschformate nicht in der Buchhandelsbranche durchsetzen.

Flexibel anpassbare Konvertierungssoftware ist umso notwendiger, als frühe Bestrebungen des betriebswirtschaftlichen Ausschusses des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, eine Standardisierung bibliographischer Daten anzustreben, weitestgehend nur im Austausch von Bestelldaten zwischen Buchhandel und Zwischenbuchhändler griffen.

Diese Situation beeinflußt nicht nur den buchhandelsinternen Geschäftsverkehr, sondern hat auch Auswirkungen auf die Nutzer dieser CD-ROM-Datenbankprodukte in Bibliotheken. Beispielsweise wird eine Ende der 80er Jahre von Lehmanns entwickelte Software, mit der lieferantenunabhängig Bestelldaten aus ca. 20 unterschiedlichen Datenbanken (einschließlich einiger Online-Verbundkataloge) konvertiert und generiert werden können, immer noch von über 100 Bibliotheken eingesetzt, darunter auch einigen Universitätsbibliotheken - trotz mittlerweile sehr leistungsfähiger integrierter Erwerbungsmodule bei Bibliotheks-Verbundsystemen.

Zur Zeit wird bei Lehmanns versucht, den bibliographischen Angaben eines Dokuments Kurzbeschreibungen, Inhaltsangaben oder Leseproben möglichst auch dann automatisch zuzuordnen, wenn die Konvertierung von Printvorlagen erfolgen muß.

III. Kataloge/Bestellsysteme

Leistungsfähige Recherche-Software ist die Grundlage für ein erfolgreiches Online-Angebot. Mittlerweile gibt es einige sehr gute Beispiele (http://www.buchkatalog.de, http://www.buchhandel.de), die auch von Buchhandlungen direkt via Link genutzt werden können, ohne sich selber um Datenbankaktualisierungen oder Verwaltung von Warenkörben kümmern zu müssen.

Dieses Verfahren hat aber für den Buchhändler den entscheidenden Nachteil, nicht selber inhaltlich Einfluß auf die angebotene Datenbank nehmen zu können, sei es mit der zusätzlichen Integration von Abbildungen, Inhaltsangaben, Rezensionen, Leseproben, Klappentexten oder gar des vollständigen elektronischen Dokuments. Eigene redaktionelle Aufnahmen sind - wenn überhaupt - nur sehr umständlich integrierbar.

Gerade das Angebot zusätzlicher Informationen, die über die rein bibliographischen Angaben hinausgehen, wird für die weitergehende Vermarktung von Online-Produkten, neben dem eigentlichen "wo finde ich was", unverzichtbare Voraussetzung für eine Kaufentscheidung sein und über kurz oder lang, neben der Güte und dem Umfang der zugrundeliegenden Datenbank, vor allem im wissenschaftlichen Bereich ein Hauptnutzungskriterium werden.

Hier sind wir den großen amerikanischen Bookshops merkwürdigerweise voraus, da diese allenfalls Titel aus der Bestsellerliste zusätzlich inhaltlich erschlossen haben.

Der Problematik des Nachweises von Bestelldaten in den jeweiligen lokalen Systemen -bei elektronischen Bestellungen fehlt im Regelfall eine Bestellunterlage, außer der Nutzer behilft sich mit Bildschirmausdrucken oder ähnlichem - wird beim Lehmanns Online Bookshop insofern Rechnung getragen, als automatisch eine Rückübermittlung der Bestelldaten per eMail in einem strukturierten Format erfolgt. Als möglichst einfaches Format wird das Austauschformat UK-Marc benutzt, welches auch bei den Whitaker-Bookbank-Produkten Verwendung findet und sicherlich ohne größeren Aufwand in kundenseitige Bestellsysteme implementiert werden kann.

Zusätzlich zur Online-Recherche über das World-Wide Web bietet Lehmanns eine Datenbankschnittstelle per eMail an, wobei wahlweise die Titeldaten auch im strukturierten Format geliefert werden können:

search@lehmanns.de - bibliographische Angaben und alle Zusatzinformationen (außer Bildern)

msearch@lehmanns.de - bibliographische Angaben im UK-Marc Format.

Als Ergänzung zur Monographiendatenbank liegt auf dem Lehmanns-Server auch eine kostenlose Testversion der Medline auf, mit eingeschränktem Zeitraum, aber vollem Funktionsumfang der SilverPlatter Retrieval Software.

IV. Datenlieferungen für unternehmensinterne Netze

Immer mehr Firmen und Institutionen bauen unternehmensinterne Intra- oder Extranets auf. Neben dem Kantinenplan und der Telefonliste ist eine der möglichen Anwendungen mit nahezu garantiert hoher Akzeptanz eine Literaturdatenbank mit einer auf das Unternehmensprofil zugeschnittenen fachlichen Ausrichtung. Dies entspricht den "klassischen" Neuerscheinungsdiensten, allerdings mit entscheidenden Vorteilen:

Die Firmen oder Institutionen sind für die Retrieval-Software selbst verantwortlich, auf welcher Plattform die Daten angeboten werden, ist dadurch weitgehend unwesentlich. Eine Minimallösung sind statische HTML-Seiten, die auch direkt von Lehmanns geliefert werden können. Normalerweise werden die Daten nach vom Kunden vorgegebenen Kriterien aufbereitet und zugestellt, dort in eine Datenbank eingelesen und - mit Bestell- oder Ausleihfunktionen versehen - den Mitarbeitern angeboten. Auch und gerade hier gilt, daß nur mit möglichst umfangreicher zusätzlicher Information der größtmögliche Nutzen erzielt wird. Lehmanns erprobt dieses Verfahren derzeit mit dem Fachinformationszentrum der Siemens AG, monatlich werden ca. 2-3 000 Titelsätze generiert und per WWW-Download ausgetauscht.

V. Anbieten von eigenen Inhalten

Im Zeitalter der Online-Publikation fällt natürlich ein gravierender Nachteil des verbreitenden Buchhandels besonders ins Gewicht: Er verfügt über keine oder wenig verwertbare Originaldokumente und ist deshalb für den Vertrieb auf die Produktion der Verlage angewiesen. Nun zeichnen sich elektronische Publikationen unter anderem dadurch aus, daß diese wesentlich kostengünstiger hergestellt werden können als Printprodukte. Nachfrageabhängige Auflagen können ohne Schwierigkeiten zu nahezu identischen Kosten produziert werden. Ein Beispiel: die Nachpressung der sehr erfolgreichen deutschen debian-Linux-Distribution, einer Doppel-CD mit Installationsanleitung, kostete bei Stückzahlen jeweils zwischen 500 und 1000 praktisch genau so viel wie die für die Kalkulation des Verkaufspreises maßgebende erste Auflage. Der Kostenvorteil bei wesentlich höheren Startauflagen ist innerhalb der Gesamtkalkulation so minimal, daß dieses bei der Errechnung des Verkaufspreises nicht nennenswert ins Gewicht fallen würde.

Diese Kalkulation gilt natürlich immer nur unter der Voraussetzung, daß die Autoren entweder die benötigte Software selber produzieren oder aber Standardsoftware einsetzen (HTML, Acrobat). Beim Einsatz von Standardprodukten fällt außerdem ins Gewicht, daß Publikationen gleichzeitig sowohl Online, als auch Offline (auf Datenträger oder "Printing-on-Demand"-Produkt) angeboten werden können. In solchen Fällen genügt es den Autoren häufig, sich praktisch ausschließlich mit einem Distributor auseinanderzusetzen, der die übrigbleibenden "verlegerischen" Aufgaben übernimmt und auch direkt den Verkauf an den Endkunden steuert.

So minimieren sich natürlich die Fixkosten, da eine Buchhandlung weder über Lektorat noch Herstellung oder (Wiederverkäufer-) Vertrieb verfügt und letztendlich auch keine separate Auslieferung unterhalten muß, zumal dann, wenn der potentielle Markt durch ein eigenes Filialnetz mit angeschlossenem Online-Bookshop zu einem erheblichen Teil abgedeckt werden kann.

Einige Produkte sind für diesen verkürzten Publikationsprozeß prädestiniert: neben Tagungsbänden, die zu den reinen Beiträgen in dieser Publikationsform auch durch die Ergebnisse der Diskussion aufgewertet werden können (Lehmanns wird voraussichlich ein solches eMail-basiertes Verfahren anläßlich der Frühjahrstagung der DPG erproben) sind sicherlich auch Dissertationen in dieser Form denkbar, sofern die rechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind.

VI. Archivplatz für Autoren und Verlage

Voraussetzung für die klassische Buchhandlung ist ein möglichst geeignetes Ladenlokal, Voraussetzung für den Online-Vertrieb sind leistungsfähige Server in einer möglichst schnellen Umgebung. Was nützt schon die schönste Anwendung, wenn die 64-Kbit Anbindung bereits beim 3. Besucher hoffnungslos verstopft ist. Das Vorhalten von Serverkapazitäten und Bandbreite ermöglicht Autoren und Verlagen ohne eigene Netz-Infrastruktur kostengünstig die Nutzung sowohl von Archivplatz als auch Softwareschnittstellen bis hin zur Datenbanknutzung. Eine gleichzeitige Integration in die Online-Datenbank versteht sich von selbst.

VII. Neue Partnerschaften

Internet-Technologie ermöglicht Kooperationen mit anderen, nicht unbedingt buchhandelstypischen Partnern, die früher kaum zustande gekommen wären. In erster Linie sind hier Kooperationen mit den Online-Services der Printmedien zu nennen. Werden die klassischen "Lesershops" noch in Eigenregie betrieben, wird dies im Online-Bereich schon viel aufwendiger. Datenbankpflege und Fakturierung gehören normalerweise nicht zum Kerngeschäft einer Zeitung oder Zeitschrift. Eine ideale Aufgabe für eine Buchhandlung, die den Inhalt "Buchladen" im Online-Angebot beispielsweise einer Tageszeitung zuliefert - möglichst im Layout des jeweiligen Dienstes. Besonders attraktiv für den Nutzer der Literaturdatenbank ist es, zusätzliche Links auf rezensierte Titel zu finden.

Lehmanns unterhält u.a. Kooperationen mit:

http://www.berlinonline.de - Online Service von Berliner Zeitung, Tip, Berliner Kurier

http://www.tagesspiegel.de - Online Service des Berliner Tagesspiegel

http://www.goon.de - Online Service des Axel Springer Verlags

http://www.med-online.de - Informationsdienst für Mediziner, Apotheker und Veterinärmediziner

http://www. dv-markt.de - Zeitschriftenabstracts, Stellenmarkt, Infos für die DV-Welt

VIII. Abrechnungsverfahren und Inkasso

Der verbreitende Buchhandel verfügt über langjährige Erfahrung mit Abrechnungsverfahren und Zahlungssystemen und bietet daher gute Voraussetzungen für den Einsatz und das Erproben von geeigneten Zahlungsmodellen für die Abrechnung elektronischer Informationen.

Elektronische Zahlsysteme werden im On-und Offline-Bereich schon seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt, aber immer mit der Maßgabe, daß bei der Lieferung eine persönliche Identifizierung durchgeführt wird (gültige Postadresse, Auslieferungsnachweis).

Weder kommt über die bisher praktizierten Verfahren eine im Zweifelsfall rechtsgültige Bestellung zustande, noch ist das bisher für den Online-Buchhandel ein großes Problem.

Gleichwohl besteht ein großer Bedarf an einem für Kunden und Händler sicheren Verfahren des Austauschs von Informationen, welches über eine bloße Verschlüsselung der Daten (SSL) hinausgehen muß und sowohl für "große" als auch "kleine" Beträge wirtschaftlich betrieben werden kann.

Spätestens der Wegfall einer körperlichen Lieferung bei elektronischen Produkten verlangt nach einer Regelung zum Authentifizieren sowohl von Besteller- als auch Anbieterseite. Ob dies über gängige Passwortmechanismen zufriedenstellend gelöst werden kann, sei dahingestellt.

Ist die Bestellung erstmal erfolgt, hat der Kunde mittlerweile bei zahlreichen Online-Bookshops die Möglichkeit, online den Status des Auftrags zu verfolgen, bis hin zum Tracking der Sendung, nachdem diese bereits die Buchhandlung verlassen hat.

IX. Ausblick

Der wissenschaftliche Sortimentsbuchhandel geht, glaubt man den allgemeinen Trendmeldungen, schwer(er)en Zeiten entgegen. Solange dem Kunden Waren im klassischen Sinn angeboten werden sollen, gibt es wenig Alternativen zum Vertrieb über die Sortimente.

Aber spätestens bei der Lieferung rein elektronischer Produkte müssen die Distributionswege überdacht und neu defniert werden.

Im Rahmen von Global Info - Globale Elektronische und Multimediale Informationssysteme für Naturwissenschaft und Technik - einem Förderprojekt des bmb+f, beteiligt sich Lehmanns, übrigens als einizige Buchhandlung, an den beiden Schwerpunktbereichen "Metadaten" und "Wirtschaftlichkeitsmodelle" und versucht, Möglichkeiten sinnvoller Beteiligung auszuloten. Ein Ziel dieses Förderprogramms ist, wissenschaftliche Information direkt online am Arbeitsplatz des Endnutzers zur Verfügung zu stellen.

Die spannende Frage bleibt, ob und wie es dem wissenschaftlichen Sortimentsbuchhandel

gelingen wird, auch in der "schönen neuen elektronischen Welt" einen sinnvollen Beitrag zu leisten.

Volker Thurner

Lehmanns Fachbuchhandlung, Berlin

http://www.lob.de

thurner@lehmanns.de