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Einführung

in das Programm der Konferenz durch Dr. Karl Wilhelm Neubauer


Wir veranstalten dieses Kolloquium nunmehr zum dritten Mal und freuen uns, daá das Interesse daran kontinuierlich gewachsen ist. Dieses Jahr erreichen wir mit rd. 600 Gästen eine Rekordteilnehmerzahl aus 20 Ländern. Ich danke den drei Veranstaltern, daá sie mit viel Arbeit und auch finanzieller Unterstützung dieses Kolloquium ermöglicht haben. Ich danke auch der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika, die auch dieses Jahr dafür gesorgt hat, daß bei diesem europäischen Kolloquium der Kontakt zu den Vereinigten Staaten nicht abreißt.

Die Informationsversorgung der Wissenschaft und das damit verbundene Publikationswesen war schon immer international organisiert. Schon in der Antike haben z. B. die griechischen Gelehrten an vielen Orten ihrer damaligen Welt gewirkt und gelehrt und waren damit auch ein wandelndes Informationssystem. Längst vor Erfindung des Buchdrucks wurden Buchproduktionen - damals natürlich in Form von Handschriften - und Buchhandel international betrieben. Es sei nur an die berühmten Büchersammler Petrarca und Boccaccio aus dem 14. Jahrhundert erinnert, die Buchbeschaffungsaufträge und Agenten durch ganz Europa schickten. Dies hat sich in den folgenden Jahrhunderten nicht grundlegend geändert. Lediglich das Aufkommen der Schnellpressen im 19. Jhdt. und die wesentliche Verbesserung der Verkehrswege durch die Eisenbahn haben Auflagen und Umschlagsmengen drastisch gesteigert.

Eine völlig neue Dimension erhält die Internationalität und die Geschwindigkeit aber nunmehr durch die Netze. CD-ROM ist noch ein relativ konventionelles Publikationsmedium, dem elektronischen Buch vergleichbar, das physisch vertrieben wird. Die Netze schaffen den virtuellen Verlag, die virtuelle Bibliothek und sogar die virtuelle Universität. Dabei wird freilich vorausgesetzt, daß die Netze Daten- oder Info-Autobahnen sind. Bis jetzt kann davon noch keine Rede sein. Auch wenn deutsche Universitäten in Kürze mit 34 MegaBit und englische Universitäten teilweise jetzt schon mit 180 MegaBit Geschwindigkeit verbunden sind, bleibt abzuwarten, ob der Verkehr nicht schneller steigt als die Kapazität. Die bisherigen Geschwindigkeitsverbesserungen scheinen noch keine spürbare Entlastung für die individuelle Nutzung des Netzes gebracht zu haben. Die Grenze der Netzbenutzung scheint nur durch die Grenze der Belastbarkeit menschlicher Geduld bei den Antwortzeiten zu liegen. Werden die Antwortzeiten besser, geht der Verkehr solange hoch, bis diese Grenze wieder erreicht ist. Die Freiheit der Wissenschaft hat uns die kostenlose Individualbenutzung von Internet gebracht. Es handelt sich um das erstaunliche Phänomen, daß alle Staaten der Welt ohne die geringste offizielle Vereinbarung stillschweigend Internet den Wissenschaftlern aller Welt kostenlos zur Verfügung stellen. Es hat sich einfach so ergeben. Ein entsprechender UNO-Beschluß wäre wohl nie flächendeckend in der Welt ausgeführt worden. Dennoch sollte bei der manchmal grenzenlos scheinenden Euphorie über die Netze die praktische Frage des Verhältnisses von Nutzungsvolumen, Leistung und Grenzen der menschlichen Geduld nicht außer acht gelassen werden. Gleiches gilt natürlich auch für die Kosten. Zunächst eimmal sind riesige Investitionsschübe erforderlich, um die Leistung der Netze drastisch zu steigern. In Deutschland z. B. gibt es noch so gut wie keine Universität, die flächendeckend für alle Einrichtungen und Arbeitsplätze intern ein Hochgeschwindigkeitsnetz anbietet. Allein für die von der Gebäudeausstattung sehr kompakt gestaltete Universität Bielefeld werden dafür in den nächsten Jahren mindestens 20 Millionen DM erforderlich. Sehr viele größere und räumlich verstreute Universitäten müßen ein Vielfaches davon berechnen. Es könnte durchaus eintreten, daß solche Investitionsschübe alleine zur Modernisierung der Netze alle paar Jahre erforderlich werden.

Aber bei der gesamten Netzeuphorie wird häufig vergessen, daß virtuelle Verlage, virtuelle Bibliotheken, virtuelle Universitäten irgendwo auch einen realen Hintergrund brauchen, nämlich Menschen, Maschinen und Gebäude. Die von der Wissenschaft gelieferten Daten müßen aufbereitet, gespeichert und retrievalfähig gemacht sowie auch als Dokument vor Ort zur Vergügung gestellt werden. Da die Daten tatsächlich weltweit zur Verfügung stehen, spielt natürlich deren Lozierung eine untergeordnete Rolle. Aber es ist auch unwichtig, in welcher Art von Einrichtung - Verlag, Bibliothek, Rechenzentrum usw. - die Server mit den Daten stehen. Die Benutzer wünschen sich natürlich das virtuelle Angebot als gemeinsames Angebot aller Anbieter möglichst mit Kennzeichnung des Zuverlässigkeits- und Qualitätsniveaus der Daten unter einer Suchoberfläche usw. Bei vielen unterschiedlichen Aktivisten auf dem Markt ist dies unmöglich. Aber man kann einiges dafür tun,der Nutzungspraxis zu helfen. Dafür sind Absprachen und Standards einerseits, aber auch Ideen und Realisierung für die Einrichtung intelligenter Lösungen erforderlich. Rechner und Software sollten nicht nur dafür eingesetzt werden, weltweite Vielfalt und weltweites Angebot zu produzieren, sondern auch um Vielfalt und Angebot für den Endnutzer durchschaubar und verwaltbar zu machen.

In diesem Geschäft sind Verlage und Bibliotheken traditionell tätig und im Rahmen der Netze nunmehr besonders aufeinander angewiesen, zumal die Bibliotheken gerade an Universitäten immer mehr unter Druck kommen, eine Art verlegerische Betreuung für Internet-Publikationen als Internet-Universitätsverlag aufzunehmen.

Daneben entwickelt sich aber mit der ganzen Kraft, Offenheit und weltweit zusammenwirkenden Kreativität des Internet der unersättliche Kommunikationsdrang der Wissenschaft, der zu unzähligen Formen von Publikationen führt von der Privatnachricht eines Studenten bis zur hochqualifizierten wissenschaftlichen Veröffentlichung. Zur Handhabung dieser unüberschaubaren Vielfalt werden nunmehr verstärkt technische Hilfsmittel angeboten z. B. die Suchmaschinen, die das Ziel haben, möglichst viele Daten im Internet zu erschließen und vielleicht auch einmal mit mehr oder weniger einheitlicher Oberfläche. Es wird darauf ankommen, eine Kombination von organisatorischen Lösungen mit intellektueller Bewertung zusammen mit intelligenten technischen Lösungen herbeizuführen. Die intellektuelle Bewertung durch Menschen ist z. Z. immer noch wesentlicher besser als die einer Suchmaschine. Aber die Mengen bewerten muß die Suchmaschine, weil der Mensch es nicht alleine schafft.

Verlag und Bibliotheken werden daher Suchmaschinen nutzen, um festzustellen, was es gibt und aussuchen, was für die intellektuelle Bearbeitung in Frage kommt. Bibliotheken werden aber weiterhin Verlagsprodukte aufnehmen und ihrer Klientel zur Verfügung stellen - auch in elektronischer Form. Hier möchte ich den Hinweis von Robert Müller von der Buchhändlervereinigung aufnehmen und - gestatten Sie mir hier auch ein wenig Lokalpatriotismus - sagen, wie sehr wir uns freuen, daß führende deutsche Fachverlage und die Universitätsbibliothek Bielefeld mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ein gemeinsames Projekt realisieren. Dieses Projekt bezieht sich auf ein Wissenschaftsfach, in dem nationale Produktion noch von besonderer Bedeutung ist, nämlich Jura. Darin werden die wichtigsten elektronischen juristischen Veröffentlichungen dieser Verlage im Netz der Universität Bielefeld gemeinsam unter einer Retrievalsoftware für den Gebrauch in Lehre und Forschung im Volltext mit komfortabler WWW-Benutzeroberfläche zur Verfügung stehen. In diesem auf zwei Jahre angelegten Projekt wollen beide Seiten, Verlage und Bibliotheken, mit einer hoffentlich ausreichend großen kritischen Menge an Daten zwei Jahre lang unter normalen Einsatzbedingungen prüfen, auf welche Akzeptanz die universitäre Versorgung mit elektronischen Originalpublikationen trifft, wie sich die Kommunikations- und Benutzerströme gestalten, wie die künftigen Abrechnungsverfahren zwischen Bibliotheken und Verlagen aussehen könnten, welche Rolle Bibliotheken und Verlage beim Vertrieb elektronischer Information spielen sollten usw. Dieses Projekt wird auch vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels nachdrücklich unterstützt. Es ist auch bemerkenswert, daß sechs sonst zum Teil hart konkurrierende Verlage sich im Zeichen des Netzvertriebs zusammengefunden haben in einem gemeinsamen Projekt, um nunmehr gemeinsam Erfahrungen zu sammeln für die in vielen Dingen sicher neu zu gestaltende Zukunft. Erste Ergebnisse der Vorbereitungsarbeit können Sie an unseren Ständen im Ausstellungsbereich sowie auch morgen in der Produktdemonstration sehen.

Es ist uns auch dieses Mal gelungen, ohne Teilnehmergebühren auszukommen, dank des großen Engagements von Mitarbeitern aus allen drei veranstaltenden Organisationen. Mit dem Dank an diese Mitarbeiter möchte ich den Wunsch verbinden, daß dieses Kolloquium nicht nur die Möglichkeiten neuer Partnerschaften deutlicher zeichnet, sondern auch praktisch dazu verhilft, neue Partnerschaften aufzubauen.


Sekretariat der Universitätsbibliothek Bielefeld